Sturm- und Schneetiefs PETRA I-IV

Wetterlage
Verantwortlich für die Entstehung des umfangreichen Tiefdrucksystems PETRA, das sich im Laufe seines "Lebens" in bis zu vier einzelne Tiefkerne aufgliederte, war ein mächtiger Kaltluftkörper, der sich vom Polarmeer über das Nordmeer und Norwegen bis nach Nordwest- und Mitteleuropa ausbreitete. In 5,5 km Höhe wurden über dem Nordatlantik Temperaturen von bis zu -46°C erreicht - stärker kann polare Kaltluft in der Höhe kaum ausgeprägt sein. Aber auch in Deutschland wurden in der Höhe immerhin noch bis zu -42°C erreicht.

Animation Temperatur 500 hPa-Niveau
Abb. 1: Animation Temperatur 500 hPa-Niveau (5,5 km Höhe) - Mi, 15.12.2010 - 13 MEZ bis Di, 21.12.2010 - 1 MEZ

Da die polare Kaltluft auf ihrem Weg gen Südwesten und Süden immer wieder mit milder Mittelmeerluft in Berührung kam, konnten sich diverse Verwirbelungen, kleine Randtiefs bilden, die wiederum am Wochenende (18./19.12.2010) von West nach Ost über Deutschland hinwegzogen und zu kräftigen Niederschlägen und teilweise auch zu kräftigem Wind führten. Nachfolgend möchten wir auf einzelne Teiltiefs von PETRA in Bezug auf ihr Wirken auf das deutsche Wetter eingehen.


PETRA I und II

Abb. 1: Isobarenkarte mit PETRA I und II am Donnerstag, 16.12.2010
Abb. 2: Isobarenkarte mit PETRA I und II am Do, 16.12.2010 - 13 MEZ


niedrigster Kerndruck im europäischen Raum

  • 980 hPa
  • 16.12.2010, 12 UTC, Südschweden


Einflusszeitraum in Mitteleuropa

  • 16.12.2010 bis 18.12.2010


Auswahl Spitzenwindböen über 75 km/h (Bergland, Inseln oder Küste)

  • 119 km/h - Brocken
  • 115 km/h - Zugspitze
  • 102 km/h - Feldberg/Schwarzwald
  • 100 km/h - Belchen/Schwarzwald
  •   93 km/h - Fichtelberg


Auswahl Spitzenwindböen über 75 km/h (Flachland)

  •   89 km/h - Ilsenburg
  •   80 km/h - Bad Suderode, Weberstedt/Hainich
  •   76 km/h - Görlitz

 

Starke Schneefälle

Sturm- und Schneetief PETRA II brachte am Donnerstag, den 16.12.2010 und in der Nacht zum Freitag, den 17.12.2010 verbreitet starke und ergiebige Schneefälle. Zuvor wurde es in der Nacht zum Donnerstag in vielen Regionen sehr kalt: Auf bis zu -22°C sackte die Temperatur in der Oberlausitz in Oderwitz. Noch kälter war es in Haidmühle im Bayerischen Wald mit bis zu -24°C. Bis zu -18°C wurden selbst am östlichen Stadtrand Berlins gemessen (Berlin-Müggelsee). Auch von Nordrhein-Westfalen über Hessen bis nach Thüringen und einigen Regionen Bayerns konnten vielerorts -10 bis -15°C gemessen werden. So wurde es beispielsweise inmitten des Ruhrgebiets in Bochumer Stadtteil Stiepel mit -14°C ebenfalls sibirisch kalt.

Sturmtief PETRA II verlagerte sich unter Verstärkung vom Nordmeer nach Südschweden. Die zugehörigen Ausläufer führten mit viel Feuchtigkeit bei Dauerfrost verbreitet zu starken und ergiebigen Schneefällen. Lediglich von Nordfriesland bis zum Niederrhein fiel zeitweise Schneeregen oder Regen, örtlich mit Glatteis bei leichten Plusgraden. Der Südwestwind wehte verbreitet frisch und besonders in den Mittelgebirgen kam es bei stürmischen Böen und Sturmböen verbreitet zu massiven Behinderungen durch Schneeverwehungen und schlechter Sicht.

PETRA II führte mit Schnee und Sturmböen zu zahlreichen Problemen in Deutschland. In Nordrhein-Westfalen saßen in der Nacht zum Freitag, den 17.12.2010 Tausende Menschen in ihren PKW fest. Grund waren blockierte oder gesperrte Autobahnen, für die ein landesweites Fahrverbot für LKW über 7,5 t verhängt wurde. In den Abendstunden des 16.12.2010 ereigneten sich über 800 witterungsbedingte Unfälle, die Stausumme erhöhte sich auf 300 km Länge. Der Flughafen Düsseldorf stellte für einige Stunden den Flugbetrieb ein, auf dem Frankfurter Flughafen wurden mehr als 200 Flüge gestrichen. Am meisten Schnee fiel in Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz sowie im Saarland. Allein im Bergischen Land und südlichem Ruhrgebiet fielen 15 bis 25 cm Neuschnee.


Auswahl 24stündige Neuschneemengen
Auswahl 24stündige Neuschneemengen
Abb. 3: Auswahl Neuschneemengen von Do, 16.12. 7 MEZ - Fr, 17.12. 7 MEZ

  •   29 cm - Lenzkirch-Ruhbühl (852 m, Baden-Württemberg)
  •   28 cm - Villingen-Schwenningen (DWD) (720 m, Baden-Württemberg)
  •   27 cm - Todtmoos (781 m, Baden-Württemberg)
  •   24 cm - Beerfelden (450 m, Hessen)
  •   22 cm - Freudenstadt (797 m, Baden-Württemberg)
  •   21 cm - Simonswald-Obersimonswald (419 m, Baden-Württemberg)
  •   21 cm - Michelstadt (204 m, Hessen)
  •   20 cm - Bochum-Stiepel (206 m, Nordrhein-Westfalen)
  •   20 cm - Breckerfeld-Wengeberg (440 m, Nordrhein-Westfalen)
  •   20 cm - Nohfelden-Gonnesweiler (403 m, Saarland)
  •   20 cm - Drensteinfurt (72 m, Nordrhein-Westfalen)
  •   19 cm - Löhnberg-Obershausen (230 m, Hessen)
  •   19 cm - Wipperfuerth-Gardeweg (360 m, Nordrhein-Westfalen)
  •   19 cm - Newel (365 m, Rheinland-Pfalz)
  •   18 cm - Driedorf (482 m, Hessen)
  •   18 cm - Solingen-Hohenscheid (154 m, Nordrhein-Westfalen)
  •   18 cm - Mengersgereuth-Hämmern (480 m, Thüringen)
  •   18 cm - Bad Nauheim (142 m, Hessen)
  •   18 cm - Sandberg (510 m, Bayern)
  •   17 cm - Weiskirchen/Saar (380 m, Saarland)


Auswahl Gesamtschneehöhen
Auswahl Gesamtschneehöhen
Abb. 4: Auswahl Gesamtschneehöhen Fr, 17.12.2010 - 7 MEZ

  • 190 cm - Zugspitze (2960 m, Bayern)
  • 145 cm - Brocken (1142 m, Sachsen-Anhalt)
  • 134 cm - Fichtelberg (1213 m, Sachsen)
  • 120 cm - Großer Arber (1436 m, Bayern)
  • 116 cm - Zinnwald-Georgenfeld (877 m, Sachsen)
  • 104 cm - Wendelstein (1832 m, Bayern)
  •   93 cm - Neuhaus am Rennweg (845 m, Thüringen)
  •   87 cm - Deutschneudorf-Brüderwiese (688 m, Sachsen)
  •   85 cm - Frauenwald (768 m, Thüringen)
  •   82 cm - Carlsfeld (899 m, Sachsen)
  •   80 cm - Sankt Englmar (810 m, Bayern)
  •   77 cm - Schmücke (937 m, Thüringen)
  •   76 cm - Tannenberg (532 m, Sachsen)
  •   74 cm - Aschau-Stein (680 m, Bayern)
  •   72 cm - Kahler Asten (839 m, Nordrhein-Westfalen)
  •   71 cm - Medebach-Schlossberg (785 m, Nordrhein-Westfalen)
  •   70 cm - Erlbach-Eubabrunn (587 m, Sachsen)
  •   69 cm - Mengersgereuth-Hämmern (480 m, Thüringen)
  •   68 cm - Reit im Winkl (685 m, Bayern)
  •   67 cm - Jachenau-Tannern (720 m, Bayern)

 

Bochum-Stiepel (ca. 200 m NN) mit 33,5 cm Schneehöhe am Fr, 17.12.2010 - 5 Uhr
Abb. 5: Bochum-Stiepel (ca. 200 m NN) am Fr, 17.12.2010 - 5 MEZ...

Bochum-Stiepel (ca. 200 m NN) mit 33,5 cm Schneehöhe am Fr, 17.12.2010 - 5 Uhr
Abb. 6: ... mit 20 bis 30 cm Gesamtschneehöhe


PETRA IV

Isobarenkarte mit PETRA II, III und IV am Sonntag, 19.12.2010
Abb. 7: Isobarenkarte mit PETRA II, III und IV am So, 19.12.2010 - 13 MEZ

Isobarenkarte mit PETRA II und IV am Montag, den 20.12.2010
Abb. 8: Isobarenkarte mit PETRA II und IV am Mo, 20.12.2010 - 13 MEZ


niedrigster Kerndruck im europäischen Raum

  • 977 hPa
  • 19.12.2010, 12 UTC, südwestlicher Ärmelkanal


Einflusszeitraum in Mitteleuropa

  • 18.12.2010 bis 20.12.2010


Auswahl Spitzenwindböen über 75 km/h (Bergland, Inseln oder Küste)

  • 144 km/h - Fichtelberg
  • 141 km/h - Zugspitze
  • 133 km/h - Belchen/Schwarzwald
  • 130 km/h - Feldberg/Schwarzwald
  • 128 km/h - Großer Kornberg


Auswahl Spitzenwindböen über 75 km/h (Flachland)

  • 104 km/h - Dollenberg
  • 100 km/h - Eschlkam
  •   96 km/h - Deuselbach, Ehrenfriedersdorf, Neuhütten/Spessart, Trier
  •   93 km/h - Tholey
  •   91 km/h - Berus/Saarland, Küssaburg, Idar-Oberstein

 

Erneut starke Schneefälle

PETRA IV zog am Sonntag, den 19.12.2010 als Randtief vom Ostatlantik kommend unter Verstärkung rasch über den westlichen Ärmelkanal und die Normandie hinweg. Von dort aus verlagerte es sich bis zum Montagmorgen, den 20.12.2010 zügig über den Süden Nordrhein-Westfalens, den Harz und Berlin hinweg nach Polen. Die zugehörige Warmfront des Tiefs zog von Südwesten her ins Land und kam mit milderer Luft etwa bis zu einer Linie Kölner Bucht - mittleres Brandenburg voran. Südlich davon erreichten die Temperaturen am Sonntag, den 19.12.2010 nach tagelangem Dauerfrost bis zu +9,4°C in Freiburg-Ebnet im Breisgau. Nördlich der Linie blieb frostig-kalte Polarluft wetterbestimmend: Im brandenburgischen Angermünde war es mit -12,0°C am 4. Advent am kältesten.

Tageshöchsttemperaturen Sonntag, 19.12.2010
Abb. 9: Tageshöchsttemperaturen am Sonntag, den 19.12.2010

Diese extremen Temperaturgegensätze konnten nur durch kräftige Niederschläge entlang der Luftmassengrenze ausgeglichen werden. Und so kam es am Sonntag bis in die Nacht zum Montag hinein von Nord-Baden, Rheinland-Pfalz und dem Saarland über Nordrhein-Westfalen, Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bis nach Brandenburg und Sachsen mit Verlagerung der Luftmassengrenze verbreitet zu kräftigen und länger andauernden Schneefällen, die in tiefen und mittleren Lagen ab Sonntagnachmittag und -abend von Südwesten her gebietsweise in Schneeregen und Regen (örtlich auch Glatteisregen) übergingen. Zuvor kam es jedoch vor allem in Mittelgebirgslagen sowie in Höhen oberhalb von 200 bis 400 Metern zu 10 bis 25 cm Neuschnee.

Gesamtschneehöhen am Montag, den 20.12.2010
Abb. 10: Gesamtschneehöhen am Montag, den 20.12.2010

Auswirkungen von PETRA IV
Am Montag, den 20.12.2010 saßen Tausende Menschen auf europäischen Flughäfen fest, in Nordrhein-Westfalen wurde auf den meisten Autobahnen erneut ein LKW-Fahrverbot ab 7,5 t Gewicht verhängt, die Binnenschifffahrt hatte zum Teil Probleme wegen Eis, im Südwesten blockierten umgestürzte Bäume den Verkehr oder führten zu Stromausfällen wie beispielsweise in der Eifel, in einigen Mittelgebirgen gab es Orkanböen. Die Elbfähre Glückstadt-Wischhafen, die auf halber Strecke zwischen Hamburg und der Elbmündung verkehrt, wurde bereits am Freitag, den 17.12.2010 wegen Eisgangs bis auf weiteres eingestellt - und der Winter hat laut Kalender noch nicht einmal begonnen.

Bizzare Eiszapfen in Velbert-Neviges am 21.12.2010
Abb. 11: Bizzare Eiszapfen in Velbert-Neviges am 21.12.2010

Schneemassen am 21.12.2010 in Velbert-Neviges auf rund 200 m NN
Abb. 12: Schneemassen am 21.12.2010 in Velbert-Neviges auf rund 235 m NN

Hinter die aufgekehrten Schneehaufen konnte sich manches Fahrzeug gut verstecken (Velbert-Neviges am 21.12.2010)
Abb. 13: Hinter den aufgekehrten Schneehaufen konnte sich manches Fahrzeug gut verstecken (Velbert-Neviges am 21.12.2010).

Diese Zusammenstellung wurde von Stefan Laps, Meteorologe der Unwetterzentrale, im Dezember 2010 erstellt.

 

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